ABSOLUTE PERFEKTION BEI TAUSENDEN PRODUKTEN

Liebevoll dreht die Teemeisterin, die in Japan den Ehrentitel „Shihan“ trägt, die 200 Jahre alte Tontasse in der Hand. Ein prüfender Blick. Wieder dreht und prüft sie das Kleinod. Dann verharrt sie, ein kaum merkliches Lächeln huscht über ihr Gesicht. Bei der mehr als 500 Jahre alten japanischen Teezeremonie ist jeder Handgriff festgelegt. Etwa zehn Jahre lang hat die Shihan die verschiedensten Aspekte japanischer Kultur studiert und viel geübt, bevor sie zur Teemeisterin gekürt wurde. Tradition, Regeln, die Suche nach Perfektion im Großen wie auch bei den kleinen Dingen des Lebens: Das ist Japan. Schon von Kindesbeinen an werden diese Werte verinnerlicht. Gaikokujin, Fremden also, bleibt weitgehend verschlossen, wie wichtig Rituale, präzise Abläufe und Prozesse sind und wie intensiv sie eingeübt werden – so lange, bis sie selbstverständlicher Teil im Alltag eines Japaners sind.

Drehen, prüfen – wieder drehen und erneut ein prüfender Blick. Der glänzende Kolben durchläuft mehrmals während seiner Entstehung diese Prozedur. Wie bei der Teemeisterin sind auch hier die Handgriffe eingeübt, haben eine klar definierte Bedeutung. Jeder Kolben, der in die Hand genommen wird, bedeutet persönliche Verantwortung. Denn nur hundertprozentig perfekte Teile dürfen das MAHLE Werk im japanischen Tsuruoka verlassen. Abweichungen sind nicht erlaubt.

Selbst eine kleine Farbvarianz, die nichts mit der Funktion zu tun hat, wird nicht akzeptiert. In der Produktionslinie in Tsuruoka nicht und natürlich auch nicht von den japanischen Kunden. Denn auch sie erwarten Qualität in absoluter Perfektion. Und MAHLE in Tsuruoka liefert: null Fehler. Tag für Tag – über das ganze Jahr hinweg.

QUALITÄT AUS TRADITION

Dass Qualität einen hohen Stellenwert hat, hat bei MAHLE lange Tradition. „Gute Qualität ist von ausschlaggebender Wichtigkeit. Man kann alles immer noch besser machen!“ lautete schon das Credo des Firmengründers Ernst Mahle. Heute ist das Qualitätsmanagement mit standardisierten Tools und Prozessen rund um die Welt in alle MAHLE Geschäftsprozesse integriert – von der Produktentwicklung bis zum Serienanlauf und darüber hinaus. Und wie bei Ernst Mahle werden „Lessons Learned“ aus allen Produktionsstandorten genutzt, um alle Abläufe kontinuierlich weiter zu verbessern.

Qualität, Kosten, Liefertreue: Mit diesem Dreiklang messen japanische Hersteller ihre Lieferanten. Eigentlich wie überall sonst auch auf der Welt. Und doch: Etwas ist anders. „Unsere Kunden vertrauen unseren Abläufen bis ins allerkleinste Detail“, erklärt Werkleiter Hiroshi Ariji. Lange vor einem Produktionsneuanlauf erfragen seine Kunden alle Fertigungsschritte und Prozesse. Manchmal ist das eine enge Gratwanderung, denn der Zulieferer will natürlich nicht alle Geschäftsgeheimnisse preisgeben. Für ein ausländisches Unternehmen ist es darum immer eine besondere Auszeichnung, wenn es an japanische Automobilhersteller liefern darf. Umso bemerkenswerter, wenn sich daraus dann langjährige Partnerschaften entwickeln. „Wir werden inzwischen von unseren Kunden eher als japanisches denn als deutsches Unternehmen angesehen“, bemerkt Ariji sichtlich zufrieden. Die Zahlen belegen die andauernde Erfolgsgeschichte seiner Mannschaft: Gut 85 Prozent der Lastwagen, die Japans Straßen befahren, werden von MAHLE Kolben aus Tsuruoka bewegt.

Wie leben die Mitarbeiter die Qualitätsvorgaben? Hier schauen die japanischen Kunden ebenfalls sehr genau hin. Denn sie wissen: Der Mensch ist der entscheidende Faktor. Auch das wird in Tsuruoka deutlich. Zwar sind auch hier Roboter im Einsatz, und auch sie drehen, prüfen, drehen wieder und checken die halbfertigen Teile. Doch die Gemeinschaft aus Fleisch und Blut hat den Maschinen immer noch viel voraus: langjährige Erfahrung, ein hohes Verantwortungsbewusstsein und ein ganz besonderes Beharrungsvermögen. „Im Schnitt sind unsere Mitarbeiter schon mehr als 25 Jahre in der Firma tätig“, verrät Werkleiter Ariji das vielleicht größte Geheimnis, das hinter der tagtäglichen Präzision steckt. Man kennt sich aus, jeder noch so kleine Handgriff sitzt.

EIN BLICK GENÜGT

Wie entscheidend dieses Detail sein kann, hat Yuichi Kobayashi erfahren. Der MAHLE Filterexperte hatte die Aufgabe, einen neuen Produktionsstandort für Filter in Indonesien aufzubauen. „Wir haben die Technologie aus unserem Werk in Tochigi übernommen. Dennoch gab es deutliche Unterschiede. Erst da wurde mir klar, wie perfekt unsere japanischen Mitarbeiter die Abläufe beherrschen und die hohe Bedeutung von Qualität verinnerlicht haben“, stellt der Fertigungsleiter fest. Takahisa Yamashita, der in Japan für den Geschäftsbereich Filtersysteme und Motorperipherie verantwortlich ist, erstaunt diese Erkenntnis nicht. „Unsere Mitarbeiter sind so aufeinander eingespielt, dass ein Blick genügt und der Kollege weiß, was gemeint ist“, verrät er ein weiteres Geheimnis des japanischen Erfolgsrezepts.

Und wieder eine kleine Zeremonie. Mit ihr stimmen sich die Teams in Tsuruoka zu Beginn jeder Schicht ein. Die Gruppenleiter verkünden den im Halbkreis versammelten Kollegen die Informationen des Tages: welche der 4.200 Produkte anstehen, wichtige Beobachtungen aus der vorherigen Schicht. Darauf folgt die tägliche Ermahnung, die Sicherheitsbestimmungen zu beachten. „Sicherheit ist uns so wichtig wie Qualität“, betont Ariji. „Yoshi! Yoshi! Yoshi! – Alles klar!“, schwört sich das Team im Chor auf die Zielvorgaben der bevorstehenden Schicht ein. Jedem Einzelnen im Halbkreis ist bewusst, dass man damit Verantwortung für die Gemeinschaft übernimmt – und dass nichts dabei schiefgehen darf.

OHNE JEDE ABWEICHUNG

Einmal pro Schicht gehen die Teams auch in die nächste Gemba, den Prozess nebenan, zum sogenannten "Drei-Minuten-Qualitäts- Check". Gibt es dort etwas zu verbessern oder zu lernen? Es ist ein fein gesponnenes Netzwerk von Prüfprozessen und Kommunikation auf den verschiedensten Ebenen – immer auf der Suche nach einer Chance, die Dinge noch besser zu machen. „Keizokuteki Kaizen“, kontinuierliche Verbesserung also, ist als Begriff längst in die globalen Produktionssysteme eingezogen, wird auch überall in der MAHLE Welt seit vielen Jahren umgesetzt. Und doch: Der kleine Unterschied zu Japan als Mutterland der Kaizen- Philosophie bleibt.

Ortswechsel zu MAHLE Tochigi. Zweieinhalb Autostunden nördlich der Metropole Tokio verweist man stolz auf eine lange Reihe von Auszeichnungen japanischer Kunden. In Tochigi werden für den MAHLE Geschäftsbereich Filtration und Motorperipherie unter anderem Ölfilter, Ölkühler, Zylinderkopfhauben aus Kunststoff sowie Luftführungssysteme gefertigt. Jeder Handgriff der gut 320 Mitarbeiter gleicht auch hier oft einer kleinen Zeremonie. Geschmeidig drehen Hände einen leuchtend blauen Ölfilter, während die junge Mitarbeiterin die Details prüft. Denn sie weiß: Die Kunden würden nicht einmal einen Druckfehler auf einem Etikett akzeptieren. Dabei ist völlig unwichtig, ob man später diese eigentlich unwesentliche Abweichung im verbauten Zustand erkennen kann oder nicht.

Wieder dieser liebevolle Blick. Wie bei der Teemeisterin. Er dauert nur einen Wimpernschlag, aber er wird jedem einzelnen Filter zuteil. Ein kurzer Moment der persönlichen Verbundenheit. „Diese besondere Zuneigung zu den Dingen, die wir tun, trainieren wir in Japan schon von Kindesbeinen an. Die Lehrer sind streng und bringen uns die Abläufe so lange bei, bis sie wirklich sitzen“, erklärt Takahisa Yamashita. „Wir können mit Kaizen Prozesse bis zur absoluten Perfektion entwickeln. Bei innovativen oder kreativen Ansätzen tun wir uns hingegen manchmal schwer“, räumt Yamashita bescheiden ein. Darum fördert er ganz bewusst den Austausch mit den MAHLE Kollegen in anderen Ländern. „Wir brauchen bei uns mehr Beweglichkeit. Das können wir von den Kollegen in aller Welt lernen, um auf Dauer noch besser zu werden.“ Und diese wiederum sind regelmäßig in den japanischen MAHLE Werken zu Gast, um dieser ganz besonderen Qualitätsphilosophie nachzuspüren, die auf diesem Weg auch die gesamte MAHLE Welt mit antreibt.

Video zu MAHLE in Tsuruoka/Japan

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