ZWISCHEN KLASSISCHEM ANTRIEB UND MOBILITÄT VON MORGEN

Der Motor ist ein echtes Kraftpaket: 6,3 Liter Hubraum und mehr als 500 PS treiben den daneben stehenden Dodge an. Trotz der beeindruckenden Leistungswerte ist er ein Alltagsauto – zumindest in den USA. Auf dem Messestand nebenan stehen Pick-ups der Marke RAM, die Motoren unter der Haube haben, wie sie in anderen Ländern ein mittelgroßer Lastwagen hat. Auf der Detroit Motor Show zeigen vor allem die amerikanischen Automobilhersteller, wie sie Mobilität interpretieren – respektive welche Erwartungen die Kunden haben, wenn sie ein Auto kaufen. Das Prinzip heißt: Es darf gerne etwas mehr sein. Think big eben.

„Die Herausforderungen auf dem nordamerikanischen Markt sind nicht mit denen in Europa oder Asien zu vergleichen“, erklärt Scott Ferriman. Der MAHLE Vertriebschef Nordamerika verdeutlicht den Unterschied anhand eines Chrysler Pacifica, der auf der wichtigsten amerikanischen Automobilmesse gerade zum „Utility Car of the Year“, also zum nützlichsten Alltagsauto, gekürt wurde. „Das ist ein typischer Zweitwagen, mit dem die Mütter ihre Kinder zur Schule fahren oder die Einkäufe erledigen“, erläutert Ferriman das Einsatzgebiet des Siebensitzers, der es auf eine Länge von über fünf Metern bringt.

FLEXIBEL UND ERFAHREN

Auch beim Automobil ist Nordamerika eine Welt für sich. „MAHLE ist hier sehr erfolgreich, weil wir die Anforderungen für diesen Markt genau erfüllen“, betont Ferriman stolz. „Obwohl unsere Produkte global sind, sind wir in der Lage, uns perfekt den lokalen Gegebenheiten anzupassen.“ Tatsächlich steckt im Chrysler Pacifica viel MAHLE Technik: Power Cell Unit, Saug- und Luftfiltermodul, Aktivkohlefilter und nicht zuletzt das Klimagerät inklusive Kompressor. Auch in den Pick-ups sind zahlreiche MAHLE Produkte zu finden. Für Ferriman sind gerade diese Fahrzeuge, die vor allem in den Weiten Amerikas zum Einsatz kommen, ein Beleg dafür, dass der Verbrennungsmotor noch lange eine sehr prägende Rolle spielen wird. Und was angesichts der aktuellen Debatte auf den ersten Blick verwundern mag: Die Hersteller von Pick-ups setzen verstärkt auf die Diesel-Technologie.

MAHLE ist schon in der Entwicklungsphase neuer Modelle eng mit den Kunden verbunden. In Plymouth/Michigan, eine halbe Autostunde von Detroit entfernt, arbeitet MAHLE Powertrain an neuen Lösungen. Dabei geht es nicht um einzelne Komponenten, sondern um ganze Systeme und Motoren. „Die Kunden kommen zu uns, weil sie unsere Flexibilität und Expertise schätzen“, stellt Hugh Blaxill zufrieden fest. Er leitet das Engineering der Powertrain-Dependance in Plymouth. Hier entstehen speziell auf die amerikanischen Kunden zugeschnittene MAHLE Lösungen. „Ein Grund dafür ist die besondere Erwartungshaltung der Verbraucher in der Region. Hinzu kommen abweichende gesetzliche Vorgaben und andere technische Standards als beispielsweise in Europa oder Asien.“ Die Kunden schätzen aber auch die speziellen Softwarekenntnisse der MAHLE Experten in Plymouth, wie Rob Vischer, Nordamerika- Vertriebsleiter von MAHLE Powertrain, bestätigt: „Wir arbeiten beispielsweise zurzeit intensiv an Lösungen, um die komplexen Systeme moderner Fahrzeuge noch besser vor Hackerangriffen zu schützen.“

Große Motoren und entsprechend dicke Karossen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Automobilindustrie auch in Nordamerika im Wandel befindet. „Der Chrysler Pacifica ist ein gutes Beispiel dafür. Er ist als Erster seiner Klasse mit einem Plug-in-Hybridantrieb ausgestattet. Die Elektrifizierung ist also auch hier in vollem Gange“, stellt Scott Ferriman beim Rundgang auf der Motor Show fest. E-Antrieb in Verbindung mit einem Verbrennungsmotor: Hier sieht er für seinen Markt einen starken Trend. Alle Hersteller, die ihre Produkte in Detroit präsentieren, stellen entsprechende Lösungen vor: europäische, asiatische und durch die Bank eben auch die großen amerikanischen Anbieter.

DEN WANDEL IM BLICK

Für Ferriman werden Hybridantriebe künftig eine bedeutende Rolle spielen: „Diese Form der Elektrifizierung bedeutet aber auch, dass der Verbrennungsmotor noch lange gebraucht wird. Darum fahren wir bei MAHLE mit unserer Doppelstrategie, also der weiteren Optimierung des Verbrennungsmotors und gleichzeitigen Entwicklung von Lösungen zur E-Mobilität, absolut richtig.“ MAHLE ist auf der Automobilausstellung in Detroit sogar offensiv mit Lösungen rund um die Elektromobilität präsent. Besonders auffällig ist dabei der „Bad Boy“, eine Art Golfplatzwagen mit grobstolligen Rädern. Mit dem Elektroantrieb auf beiden Achsen kommt man damit auch in schwierigem Gelände voran. „Wir wollen zeigen, dass wir schon heute serienreife Lösungen vom Nebenaggregat bis hin zum vollelektrischen Fahrzeug bieten können“, betont Ferriman. „Unser Unternehmen verkörpert den Wandel in der Antriebstechnik, und genau das wollen wir hier zeigen.“

Schnitt zur amerikanischen Westküste: Dort ist Mauricio Silva ganz in seinem Element, wenn er mit einem E- Mobil unterwegs ist. „Diese Beschleunigung! Unvergleichlich!“, schwärmt er. Nahezu lautlos surrt der schnittige Wagen durch die Straßen von San Francisco. Mit dem Tesla „Model S“ zieht er an den berühmten Cable Cars vorbei. Die Straßenbahn, die mit Hilfe eines Stahlseils die steilen Straßen bewältigt, ist der Beleg, dass man hier schon 1873 nicht um innovative Antriebskonzepte verlegen war. Bei der Reise mit dem E-Mobil müsse man keine Furcht haben, mit einer leeren Batterie auf der Strecke zu bleiben, versichert Silva: „Zumindest hier in Kalifornien ist die Infrastruktur sehr gut.“

Kalifornien ist also in Sachen Elektromobilität den anderen US-Bundesstaaten einige Fahrzeuglängen voraus. Hier, zwischen San Francisco und Los Angeles, haben zahlreiche Hersteller von E-Mobilen ihre Unternehmenssitze. Auch Mauricio Silva betreibt dort seit Mitte 2016 ein MAHLE Büro. Mitten im Silicon Valley. Zu Tesla, Google oder Apple sind es nur wenige Fahrminuten. „Wir wollen hier Kontakte knüpfen und natürlich zeigen, was wir von MAHLE zu bieten haben“, erklärt er. Tatsächlich kann das Unternehmen auf dem Markt für Elektromobile mit einer ganzen Reihe von Produkten punkten. „Wir haben beispielsweise Lösungen, mit denen die Batterietemperierung optimal geregelt werden kann“, erklärt Silva. Das ist entscheidend, denn die Energiespeicher entwickeln eine beachtliche Wärme, wenn sie Leistung abgeben, und auch Schwankungen bei den Außentemperaturen gehen schnell zu Lasten der kostbaren Reichweite. Neben der Batteriekonditionierung, für die der MAHLE Geschäftsbereich Thermomanagement verantwortlich zeichnet, bietet die neu gegründete MAHLE Division Mechatronik eine Reihe elektrischer Antriebe für Haupt- und Nebenaggregate – mit einem immer stärkeren Fokus auf Pkw-Anwendungen.

ANDERES TEMPO

Die neuen Player im Bereich der E-Mobilität benötigen aber nicht nur andere Erzeugnisse als die etablierten Fahrzeugproduzenten. Mauricio Silva weiß auch, dass die Neulinge am Automarkt ganz anders vorgehen. „Sie legen ein ganz anderes Tempo vor und sind sehr innovativ. Wie alle, die im Silicon Valley arbeiten“, betont Silva. Und auch die Endverbraucher, die sich für ein E-Fahrzeug entscheiden, weichen von den marktüblichen Gewohnheiten ab. Normalerweise wollen Amerikaner ihr Auto gleich mitnehmen, wenn sie zum Händler gehen. Bei einem Elektromobil nehmen sie hingegen Wartezeiten von mehreren Monaten in Kauf. Der Wandel hat in Nordamerika also in vielerlei Hinsicht längst begonnen.

Video zu Think big. And Electric.

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