Blick hinter die Kulissen von MAHLE Powertrain

Hier mehrere Jumbos ohne Triebwerke, dort ein paar alte Sportflugzeuge, dazwischen ausrangierte Anhänger einer Spedition: Die Szenerie auf dem ehemaligen Airfield Bruntingthorpe in Mittelengland mutet einigermaßen skurril an. Da durchbricht ein silberner VW Golf dröhnend die Stille. Ein Rennwagen, der auf der jetzigen Teststrecke heimlich seine ersten Runden dreht? Der brüllende Motor legt diesen Gedanken nahe. „Der geht ganz schön ab, nicht wahr?“, lächelt Mark Underwood und beschleunigt seinen Golf dann auf der Gegengeraden, auf der einst Maschinen der Royal Air Force gestartet und gelandet sind.

Als Underwood später den Blick unter die Motorhaube freigibt, ist die Überraschung groß. Der Ladeluftkühler mit dem prägnanten MAHLE Schriftzug birgt alles andere als einen großvolumigen Motor. „Das sind lediglich 1,2 Liter Hubraum. Aber der Golf hat mehr als 260 PS“, erklärt der junge Ingenieur und grinst zufrieden. Er ist ein Teil des talentierten Teams, das dieses ausgesprochen eindrucksvolle Demonstratorfahrzeug entwickelt hat, und so ein Flitzer ist ganz nach seinem Geschmack. „Autos haben mich schon immer fasziniert. Und Technik sowieso“, erklärt er. Privat versucht er gerade, einer alten Fließhecklimousine mehr Pepp für die Rennstrecke zu verschaffen – mit dem Motor eines Sportlers.

DEM MARKT WEIT VORAUS

Auf der Teststrecke in Bruntingthorpe ist Underwood allerdings nicht zum Spaß unterwegs. Die Daten aus jeder Runde werden akribisch mit einem Laptop erfasst und später im 40 Kilometer entfernten Northampton bei MAHLE Powertrain ausgewertet. Über 400 MAHLE Kollegen sind dort Ansprechpartner für maßgeschneiderte Entwicklungsdienstleistungen der weltweiten Automobilindustrie. Auf zwölf Prüfständen werden Motoren getestet und analysiert, von mechanischen Untersuchungen bis hin zu komplexen Optimierungen in der Fahrbarkeit. „Die Hersteller schätzen sehr, dass wir mit unseren Überlegungen dem Markt oft weit voraus sind und gleichzeitig sehr schnell auf Kundenwünsche reagieren können. Beispielsweise, wenn es darum geht, Motoren zu optimieren oder auch ganz neue Aggregate zu entwickeln“, erklärt Simon Reader, Leiter Engineering bei MAHLE Powertrain UK.

Auf dem Firmengelände fällt auf, dass viele junge Leute zu sehen sind. „Das ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir weiter wachsen“, ordnet Marketingchef Daren Mottershead diese Beobachtung ein. Allein 2016 wurden 40 neue Kolleginnen und Kollegen in Northampton eingestellt. Und es werden noch mehr gebraucht, denn die Nachfrage auf Kundenseite ist enorm. Der Ingenieursnachwuchs kommt aus den Universitäten und Hochschulen des gesamten Königreichs in die mittelenglische Provinz. Hier finden die jungen Leute neben einem spannenden Job bezahlbare Immobilien und angenehme Lebensbedingungen. Ganz im Unterschied zur Hauptstadt London, wo die Lebenshaltungskosten astronomisch hoch sind.

STOLZE TRADITION DER INGENIEURSKUNST

Die Spezialisten bei MAHLE Powertrain genießen zudem seit Generationen einen hervorragenden Ruf. Hier sind über Jahrzehnte hinweg legendäre Antriebe entstanden. Bevor MAHLE im Jahr 2005 einstieg, war die Ingenieursschmiede unter dem Namen Cosworth Technology bekannt. Auf diese Traditionist man bis heute ganz besonders stolz. In den 1970er Jahren wurden sogar alle Motoren für die Rennwagen der Formel 1 – mit Ausnahme von Ferrari – in Northampton entwickelt. Die einstige Rennabteilung von Cosworth agiert noch heute unter diesem Namen in unmittelbarer Nachbarschaft.

Doch die Impulse für die Antriebe von morgen kommen aus den eher unscheinbaren Backsteingebäuden gegenüber. „Durch MAHLE haben wir einen wesentlich größeren Aktionsradius bekommen“, berichtet Reader. „Unsere Kunden kommen heute aus Europa, den USA, China und dem Nahen Osten.“ Dementsprechend global ist die MAHLE Sparte zwischenzeitlich aufgestellt. Zudem könne man auf das breite Fachwissen eines etablierten Konzerns zurückgreifen, der entlang des gesamten Antriebsstrangs langjährige Erfahrung habe. Und natürlich ist MAHLE Powertrain an vorderster Front dabei, wenn es darum geht, den Wandel in der Automobilindustrie mitzugestalten. „Mit der Hybridisierung der Fahrzeuge sprechen wir nun nicht mehr nur über Motoren. Jetzt sind es mehr und mehr systemübergreifende Projekte, die wir angehen“, erklärt Reader die neue strategische Ausrichtung von MAHLE Powertrain.

Dieser Ansatz bedeutet, dass die Entwickler in Northampton über ein ebenso breites wie fundiertes Wissen verfügen müssen. Mark Underwood, der direkt nach seinem Abschluss vor gut fünf Jahren zu MAHLE Powertrain stieß, berichtet aus eigenem Erleben: „Es dauert über ein Jahr, bis die Neulinge wirklich selbst Projekte angehen können.“ Dann sind die Spezialisten aus Northampton so gut mit den technischen Details von Antrieb und Steuerung vertraut, dass sie einem Motor spürbare Verbesserungen entlocken können. Beispielsweise, indem sie entscheidend am Designprozess oder bei der Konstruktion neuer Komponenten mitwirken. Oder indem sie – wie Underwood – die Software für Steuergeräte entwickeln, die für die präzise Abstimmung des Motors zuständig ist.

KLEINE MOTOREN MIT GROSSER ZUKUNFT

In Bruntingthorpe wird getestet, ob beispielsweise der vermeintlich untermotorisierte Golf nicht doch dem Leistungsprofil eines Sportwagens angeglichen werden kann. „So wollen wir unseren Kunden zeigen, dass sich Antriebe auch anders gestalten lassen“, erklärt Entwicklungschef Reader. Aus seiner Sicht haben gerade kleine Motoren aus verschiedenen Gründen eine große Zukunft. Zum einen, und das belegt der Golf von MAHLE eindrucksvoll, weil Fahrspaß nicht unbedingt mit viel Hubraum zusammenhängen muss. Und durch den Einsatz der E-Maschine als unterstützendes Aggregat von Verbrennungsmotoren können diese in Zukunft auch etwas kleiner ausfallen.

Die Experten in Northampton befassen sich jedoch noch mit weit mehr als mit Motoren der Kleinwagenklasse. Im Innenhof – gut vor neugierigen Blicken abgeschirmt – parken Fahrzeuge, die das Herz eines jeden Sportwagenfans höherschlagen lassen würden. Auch auf dem ehemaligen Flugplatz Bruntingthorpe, dessen Zugang ebenfalls stark reglementiert ist, kündigt sich ein Kollege von Mark Underwood mit einer britischen Nobelkarosse an. Er wird der Nächste sein, der mit Höchsttempo an den ausgemusterten Flugzeugen vorbeischießt. Unter der Haube des Boliden arbeitet wieder eine Maschine, die sicherlich eines nicht allzu fernen Tages ein neues Modell antreiben wird – wieder mit viel Technik und Know-how von MAHLE Powertrain.

Viedo zu MAHLE Powertrain

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